Der Nullpunkt beim Bogenschießen

Der Nullpunkt beim Bogenschießen ist jener Punkt, bei dem Systemschützen ihre Pfeilspitze genau auf dem Ziel haben oder intuitive Schützen „genau drauf halten“. Er ergibt sich aus dem jeweiligen Pfeil-Bogen Setup sowie Ankerpunkt, Griffart und Schießstil des Schützen. Während das Wissen um den Nullpunkt für Systemschützen unabdingbar ist, lehnen intuitive Schützen die Beschäftigung mit dem Nullpunkt mitunter völlig (und beinahe schon hysterisch 😉 ) ab. 

Der Nullpunkt bei Systemschützen

Systemschützen haben eine Entfernung, bei welcher die Pfeilspitze bei einem bestimmten Griff in die Sehne und bestimmten Ankerpunkt genau in der Mitte der Scheibe liegt. Bei Stringwalkern ist die höchste Position der Finger an der Sehne möglichst jene, bei welcher sie auf die zu schießende Maximaldistanz die Spitze genau ins Ziel legen können. Für kürzere Distanzen wird die Sehne entsprechend tiefer gegriffen und der Höhenwinkel damit verändert. Man kann gewissermaßen also auch sagen, dass der Schütze seinen Nullpunkt anpasst. 
Selbiges Prinzip kann anstatt mit Stringwalking auch mit Facewalking, also der Veränderung des Ankerpunkts im Gesicht, bewerkstelligt werden. Dies ist allerdings schwieriger und wird seltener praktiziert. 
Der Nullpunkt ist weiter auch für Schützen mit errechneter „point of aim – Zielmethode“ relevant. Hierbei wird bei Distanzen außerhalb des Nullpunkts berechnet, um wie viel höher oder tiefer die Pfeilspitze von der Zielmitte entfernt sein muss.
„Point of aim“ muss nicht zwangsläufig eine systematische Zielmethode sein, sondern kann auch beim intuitiven Schießen nach Gefühl geschehen. 

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Der Nullpunkt bei intuitiven Schützen

„Ein intuitiver Schütze muss seinen Nullpunkt nicht kennen. Es passiert ja eh alles automatisch-intuitiv!“
„Wenn ein intuitiver Schütze seinen Nullpunkt kennt, dann zielt er ja automatisch auch! Das ist dann ja nicht mehr intuitiv!“

Solche und ähnliche Aussagen kommen sehr häufig, wenn irgendwo die Rede vom Nullpunkt beim Bogenschießen ist. Wir sind hier wieder in der Welt des schwarz-weiß Denkens. Über die Thematik der Intuition und des intuitiven Schießens findest Du hier einen ausführlichen Beitrag

Fakt ist: Ein intuitiver Schütze muss seinen Nullpunkt nicht kennen. Er muss in seinem ganzen Bogenschützendasein kein einziges Mal eine Entfernung schätzen und es muss ihm in diesem Zusammenhang auch kein einziges Mal bewusst werden, wo sich seine Pfeilspitze bei welcher Entfernung eigentlich befindet. Er kann trotzdem ein ganz hervorragender Bogenschütze werden.

Fakt ist auch: Intuition beruht (anders als Instinkt) auf Erfahrung. Unabhängig davon, ob diese Erfahrung bewusst oder unbewusst gemacht wird, ist die Position der Pfeilspitze – und damit der Nullpunkt – eine der vielen Informationen die beim Bogenschießen im Gedächtnis des Schützen gespeichert werden. 

Daraus resultiert: Die Intuition eines Schützen kennt ab einem gewissen Zeitpunkt so oder so den Nullpunkt. Ob der Schütze ihn auch bewusst kennt, hängt davon ab, ob er sich mit dieser Frage beschäftigt. Vor allem, wenn ein Schütze regelmäßig auf Scheiben in bekannter Distanz trainiert ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihm sein Nullpunkt auch in Metern früher oder später bewusst wird, relativ groß. 

Der „grobe Nullpunkt“

Intuitive Schützen, die länger dabei sind und sich nicht vehement gegen alles, was ihrer Meinung nach nicht intuitiv ist, verschließen, haben meist so etwas, was man als „groben Nullpunkt“ bezeichnen könnte. Das bedeutet, sie wissen zwar nicht die ganz exakte Position ihrer Pfeilspitze, wissen aber im Vorhinein, ob sie auf eine Distanz „direkt hineinhalten“ oder eben „darunter/darüber“ halten werden.

Kann das Wissen um den Nullpunkt einem intuitiven Schützen einen Vorteil verschaffen?

In gewisser Weise ja. Der intuitive Schütze fokussiert sich in der Regel – genau wie der Systemschütze – auf den Punkt den er treffen möchte. Auch wenn er kein systematisches (berechnetes) Point-of-aim anwendet, ist die Position der Pfeilspitze eine wichtige Informationsquelle für sein Unterbewusstsein und damit für seine Intuition. Ab bestimmten Distanzen – eben abhängig vom jeweiligen Nullpunkt – befindet sich die Pfeilspitze sehr weit über dem Ziel. Die Hand des Schützen wandert nahe an oder auch über den zu treffenden Punkt und es fällt ihm zunehmend schwerer, sich tatsächlich auf den Punkt zu fokussieren.

Die Intuition mag klare Angaben

An dieser Stelle wird es ein wenig komplex: Wenngleich natürlich auch unter diesen Bedingungen die Intuition den Schützen noch immer in die richtige Position bringen kann, tut sich – salopp ausgedrückt – die Intuition mit „klaren Angaben“ wesentlich leichter. (Das äußert sich auch in dem interessanten Phänomen, dass gerade intuitive Schützen erstaunlich häufig kontrastreichere Stellen als die Trefferzone am 3D Ziel treffen oder auf Pfeile anderer Schützen nachschießen, wenn diese einen stärkeren Kontrast bilden, ebenso wie Schützen in Summe genauer treffen, wenn die Linien der Trefferzone noch deutlich zu sehen sind.)
Wenn intuitive Schützen nun zumindest ihren „groben Nullpunkt“ kennen und davon ausgehend auch wissen, ab welchem Maße des „darüber Haltens“ ihr „intuitiver Komfortbereich“ endet, können sie sich entscheiden, ab bestimmten Entfernungen einen Ersatz-Fokuspunkt zu suchen. Das muss nicht zwangsläufig ein Punkt im Sinne von systematischen „Point of aim*“ – also der tatsächliche Punkt an dem sich die Pfeilspitze befindet – sein, sondern kann eben genauso gut ein Punkt sein, bei dem der Schütze intuitiv das Gefühl hat, dass er eben „mehr oder weniger direkt rein hält“, während die ganz exakte Ausrichtung der Intuition überlassen bleibt.

Zusammengefasst:

Ein intuitiver Schütze kann, aber muss seinen Nullpunkt nicht kennen. Wenn er ihn kennt bedeutet das nicht, dass er nicht trotzdem intuitiv schießt.

So oder so: Alle ins Gold, alle ins Blatt!

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